Allgemeinverfügung zum Verbot von Veranstaltungen mit einer Teilnehmeranzahl ab 500 Personen

12. März 2020

Gemäß § 28 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) in Verbindung mit Art. 35 Satz 2 Bayeri-sches Verwaltungsverfahrensgesetz - BayVwVfG) erlässt das Landratsamt Kulmbach fol-gende

Allgemeinverfügung

  1. Veranstaltungen aller Art ab mehr als 500 Teilnehmern werden im Bereich des Landkreises Kulmbach bis zum Ende der Osterferien (einschließlich 19.04.2020) un-tersagt.

  2. Im Hinblick auf Großveranstaltungen (ab einer Teilnehmeranzahl von mehr als 1.000 Personen) wird auf die Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeri-ums für Gesundheit und Pflege vom 11.03.2020 verwiesen.

  3. Diese Allgemeinverfügung tritt mit Wirkung ab 13.03.2020 in Kraft und gilt bis ein-schließlich 19.04.2020.

  4. Für jede Veranstaltung bis 500 Teilnehmer hat der Veranstalter, unabhängig davon, ob sie in geschlossenen Räumen oder im Freien stattfindet, eine Risikobewertung anhand der Kriterien des Robert-Koch-Instituts und des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit selbständig durchzuführen.

  5. Auf die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. enthaltene An-ordnung gemäß § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 IfSG wird hingewiesen.

Hinweis


Gemäß Art. 41 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG ist nur der verfügende Teil einer Allgemeinverfü-gung öffentlich bekannt zu machen. Die Allgemeinverfügung liegt mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung im Landratsamt Kulmbach, Konrad-Adenauer-Straße 5, 95326 Kulmbach, an der Pforte auf. Sie kann während der allgemeinen Dienstzeiten eingese-hen werden.

Begründung


Zu Ziffer 1:
Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz Infektionsschutzgesetz (IfSG) i. V. m. § 65 Satz 1 Zuständigkeitsverordnung
(ZustV), kann das Landratsamt Kulmbach als zuständige Kreisverwaltungsbehörde
Veranstaltungen beschränken oder verbieten, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige,
Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit
und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich
ist.
Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Nr. 1 IfSG,
der sich in Bayern derzeit stark verbreitet. Durch das Landratsamt Kulmbach – Fachbereich
Gesundheitswesen wurden zwar noch keine bestätigte Krankheitsfälle (SARS-CoV-
2), allerdings zahlreiche Krankheits- und Ansteckungsverdächtige festgestellt.
Durch den vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 über Tröpfchen (z.B.
durch Husten, Niesen) und durch teils mild erkrankte oder auch asymptomatisch infizierte
Personen kann es zu Übertragungen von Mensch zu Mensch kommen.
Das Verbot von Veranstaltungen aller Art ab mehr als 500 Teilnehmern dient insbesondere
dem Zweck, eine Ausbreitung der neuartigen Viruserkrankung zeitlich und räumlich
zu verlangsamen und in der gegenwärtigen Lage insbesondere von der noch anhaltenden
Influenzawelle zu entkoppeln, um insbesondere krankheitsanfällige Menschen (Risikopersonen)
zu schützen. Eine zeitlich langsamere Ausbreitung hat zudem den Vorteil,
dass die medizinischen Versorgungssysteme über einen größeren Zeitraum in Anspruch
genommen werden und die punktuelle Belastung geringer bzw. eine Überlastung vermieden
wird.
Bei Veranstaltungen ab mehr als 500 Teilnehmern ist davon auszugehen, dass die folgenden,
eine Weiterverbreitung begünstigenden Faktoren in starkem Maße vorliegen:

  • Es herrscht bei Veranstaltungen mit hoher Teilnehmerzahl erfahrungsgemäß meist eine hohe räumliche Nähe der Teilnehmer untereinander. Überregionale Auswirkungen auf die Verbreitung der Viruserkrankung sind verstärkt zu erwarten, da vermehrt Menschen aus Nachbarregionen, anderen Bundesländern oder mit internationaler Herkunft entsprechende Veranstaltung besuchen. Dies hat sowohl Auswirkungen auf einen möglichen Eintrag von Erkrankungen in eine Region als auch auf die Weiterverbreitung über regionale Grenzen hinaus.
  • Eine Kontaktpersonennachverfolgung und darauf aufbauende Schutzmaßnahmen sind für den Fall, dass ein Teilnehmer im Nachhinein positiv auf SARS-CoV-2 getestet werden sollte, schlecht bzw. überhaupt nicht möglich.

 

  • Es ist bei großen Veranstaltungen wahrscheinlich, dass Personen aus Krankenversorgung, Öffentlichem Gesundheitsdienst sowie Innerer Sicherheit und Ordnung unter den Teilnehmern sind, die es besonders zu schützen gilt. Dasselbe gilt für Risikopersonen, zumindest für höhere Altersgruppen.

Dies ergibt sich zudem aus einer fachlichen Risikobewertung des Landesamtes für Gesundheit
und Lebensmittelsicherheit vom 12.03.2020. Hiernach werden Veranstaltungen
ab mehr als 500 Teilnehmern allein aufgrund der Teilnehmerzahl in die Risikokategorie 
eingestuft. Der damit verbundenen Empfehlung, die Veranstaltung abzusagen oder zu
verschieben kommt das Landratsamt Kulmbach mit dieser Allgemeinverfügung nach.

Hygienemaßnahmen, die das Risiko einer Ausbreitung von SARS-CoV-2 einschränken,
können die Risiken bei solchen Veranstaltungen nicht ausreichend senken.

Das Verbot von Veranstaltungen ab mehr als 500 Teilnehmern ist geeignet und erforderlich, um eine Verlangsamung der Ausbreitung der hochansteckenden Krankheit zu erreichen. Mildere Maßnahmen, die ebenso wirkungsvoll zum gewünschten Erfolg führen würden, sind nicht ersichtlich.


Die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter hat ergeben, dass die Nachteile, die die
Veranstalter und die Veranstaltungsteilnehmer durch das Verbot zu erleiden haben (insbesondere finanzielle Einbußen und die Einschränkung des sozialen Lebens) weniger schwer wiegen, als das Interesse der Allgemeinheit an einem wirkungsvollen Gesundheitsschutz. Im Ergebnis überwog somit das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Verhinderung der Weiterverbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit. Die zeitlich befristete Verbotsanordnung ist daher verhältnismäßig. Das Landratsamt Kulmbach trägt mit dem Verbot zudem den dringenden Empfehlungen des Bayerischen Gesundheitsministeriums Rechnung, auch bei Veranstaltungen zwischen 500 und 1000 Teilnehmern größte Zurückhaltung zu üben.

Zu Ziffer 3:
Gemäß Art. 41 Abs. 4 Satz 4 Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) kann in
einer Allgemeinverfügung der Tag der Bekanntgabe bestimmt werden, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag.
Diese Allgemeinverfügung wird am 12.03.2020 mündlich öffentlich bekanntgemacht
und tritt am Folgetag, 13.03.2020, in Kraft. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist sie bis einschließlich 19.04.2020 befristet. Zu diesem Zeitpunkt wird eine erneute Risikoeinschätzung stattfinden.

Zu Ziffer 4:
Das Schema zur Risikobewertung von Veranstaltungen kann auf der Website des Landratsamts Kulmbach unter www.landkreis-kulmbach.de abgerufen werden.

Zu Ziffer 5:
Die in Ziffer 1. enthaltene Anordnung findet ihre Grundlage in § 28 Abs. 1 Satz 2 1. Halb-satz IfSG. Zuwiderhandlungen gegen das Verbot sind daher strafbar nach § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 IfSG.


Anwendungshinweis:
Eine öffentliche oder private Veranstaltung ist ein zeitlich begrenztes, in einem definier-ten Raum stattfindendes Ereignis, an dem mehrere Personen teilnehmen. Dieses Ereignis hat in der Regel einen definierten Zweck und ein Programm mit thematischer, inhaltli-cher Bindung (z. B. Konzerte, Kongresse, Theater, Diskotheken, Tanzveranstaltungen, Sportveranstaltungen, Volksfeste, Firmenveranstaltungen, Versammlungen, Tage der offenen Türe).


Nicht unter diese Kategorie fallen z. B. normaler Schul- und Ausbildungsbetrieb, Ar-beitsplatz, Bahnhöfe, öffentlicher Verkehr, Bäder, Einkaufszentren, Restaurants, normaler Barbetrieb, Märkte und Verkaufsmessen im Freien, normaler Museumsbetrieb, gesell-schaftliche Privatfeiern.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach ihrer Bekanntgabe Klage erhoben werden bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht
Postfachanschrift: Postfach 11 03 21, 95422 Bayreuth
Hausanschrift: Friedrichstr. 16, 95444 Bayreuth
schriftlich, zur Niederschrift oder elektronisch in einer für den Schriftformersatz zugelassenen Form.
Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens be-zeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Allgemeinverfügung soll in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen bei schriftlicher Einreichung oder Einreichung zur Niederschrift Abschriften für die übrigen Betei-ligten beigefügt werden.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung

  • Die Einlegung eines Rechtsbehelfs per einfacher E-Mail ist nicht zugelassen und entfaltet keine rechtlichen Wir-kungen. Nähere Informationen zur elektronischen Einlegung von Rechtsbehelfen entnehmen Sie bitte der Inter-netpräsenz der Bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit (www.vgh.bayern.de).
  • Kraft Bundesrechts wird in Prozessverfahren vor den Verwaltungsgerichten infolge der Klageerhebung eine Ver-fahrensgebühr fällig.
  • Anordnungen auf Basis des § 28 Abs. 1 IfSG sind gem. § 28 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 8 IfSG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Wegen der sofortigen Vollziehbarkeit kraft Gesetzes hat eine Klage gegen die Allgemeinverfügung keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Das bedeutet, dass die Anordnungen auch dann befolgt werden müssen, wenn Klage erhoben wird. Beim Landratsamt Bayreuth kann die Aussetzung der sofortigen Vollziehung bzw. bei dem in der vorgenannten Rechtsbehelfsbelehrung genannten Gericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt werden, § 80 Abs. 4 und 5 VwGO.

Kulmbach, 12.03.2020
Landratsamt Kulmbach
Oliver Hempfling
Regierungsdirektor